Neuer Anfechtungstatbestand
Mit Inkrafttreten des revidierten Erbrechts tritt auch ein neuer Art. 494 Abs. 3 ZGB in Kraft. Gemäss dieser neuen Bestimmung können Verfügungen von Todes wegen und Zuwendungen unter Lebenden (mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke) angefochten werden, soweit sie erstens mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, namentlich wenn sie die erbvertraglichen Begünstigungen schmälern, und zweitens im Erbvertrag nicht vorbehalten worden sind. Bisherige Regel Gemäss dem bisherigen geltenden Erbrecht war eine solche Anfechtung nur bei späteren Verfügungen von Todes wegen möglich, die im Widerspruch zum Erbvertrag standen. Verfügungen unter Lebenden, also Schenkungen, unterstanden einer Anfechtung nur unter den Voraussetzungen der Herabsetzungsklage. Grundsätzlich war somit eine Anfechtung eingeschränkt auf Schenkungen in den letzten 5 Jahren vor dem Versterben des Erblassers oder soweit sie offensichtlich zur Umgehung der eingegangenen Verpflichtungen aus dem Erbvertrag getätigt wurden. Vor diesem Hintergrund sind die vom neuen Gesetz vorgesehenen Vorbehalte im Erbvertrag in der Vergangenheit logischerweise nicht gemacht worden. Beispiel Im Jahre 2000 schliessen zwei 55-jährige Ehegatten mit ihren beiden Kindern (beide 20 Jahre alt) einen Erbvertrag. Gemäss diesem Vertrag erhält der überlebende Ehegatte beim Versterben des andern den gesamten Nachlass und die Kinder verzichten. Dafür wird den Kindern die volle Erbeinsetzung beim Zweitversterben garantiert. Dies war ein geläufiges und verbreitetes Vorgehen. Im Jahre 2015 entschliessen sich die Eltern, inzwischen beide 70 Jahre alt, ihre Wohnliegenschaft an das Kind A zu einem (Vorzugs-)Preis von CHF 800'000.- zu übertragen. Die Liegenschaft steht aber im Alleineigentum der Mutter. Der Verkehrswert der Liegenschaft beträgt in diesem Zeitpunkt unter angemessener Berücksichtigung der latenten Steuern CHF 1'000'000.-. Im Umfang von CHF 200'000.- findet also eine Schenkung der Mutter an das Kind A statt. Da die Finanzierung für das Kind A anders nicht möglich wäre, entscheidet man sich für diese Bevorzugung. Alle sind damit einverstanden, da man darin übereinstimmt, dass die Familienliegenschaft in der Familie verbleiben soll. vertraglich festgehalten wird dazu aber nichts. Die Beteiligten gehen davon aus, dass mit dem Erbvertrag von 2000 alles geregelt ist. Stirbt nun die Mutter am 1. Januar 2023, also nach Inkrafttreten des neuen Rechts, so kann der überlebende Vater von Kind A verlangen, dass es die Schenkung zurückerstattet. Denn der Erbvertrag sieht für solche Schenkungen keine Ausnahme vor! Verzichtet der Vater hierauf, so ist das Problem noch immer nicht aus der Welt geschafft. Stirbt der Vater später auch, kann nun Kind B vom Kind A verlangen, dass es die Schenkung zurückerstattet. Lösung des Problems Die Beteiligten müssen in einer solchen Situation also anlässlich der Übertragung der Liegenschaft daran denken, einen Nachtrag zum alten Erbvertrag zu fertigen, der ausdrücklich vorsieht, dass die Schenkung an das Kind A rechtens ist und zu keinen Anfechtungen nach Art. 494 Abs. 3 ZGB führt. Unmöglich ist dies leider da, wo eine Vertragspartei bereits gestorben ist, nicht mehr handlungsfähig ist oder wegen irgendwelcher Streitigkeiten in der Familie nicht mehr bereit ist, bei einem solchen Nachtrag mitzuwirken. Gerne beraten wir Sie, wenn Sie in der Vergangenheit einen Erbvertrag abgeschlossen haben und diesen überprüfen möchten, oder wenn Sie Sie Schenkungen planen die in Widerspruch zu solch einem Vertrag stehen könnten.
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AutorBiondi Treuhand ist Ihr Partner für Treuhand, Steuern und Altersvorsorge. Archiv
February 2022
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